Russland

Montjan: Dumm und Dümmer – Wie Russland die Fehler des Westens nutzen könnte

In einer Artikelreihe befasst sich Tatjana Montjan mit den Aussichten des Konflikts des "kollektiven Westens" mit Russland in der Ukraine und wie er weitergehen wird. Im dritten Artikel der Reihe geht es darum, welche Fehler der Westen gemacht hat und wie Russland sie zu seinen Gunsten ausnutzen kann.
Montjan: Dumm und Dümmer – Wie Russland die Fehler des Westens nutzen könnteQuelle: www.globallookpress.com © KPA

Von Tatjana Montjan

Im vorhergehenden Artikel haben wir dargelegt, dass der Westen seine ukrainische Marionette unbestimmt lange am Leben halten und mit Waffen für den blutigen Bruderkrieg gegen Russland versorgen kann. Der Unterhalt der Marionette kostet die westlichen Strippenzieher zwar einiges an Geld, doch lange nicht so viel, dass es sich nicht lohnen würde. Allein die gestohlenen russischen Vermögenswerte reichen aus, um diesen Krieg über Jahre hinweg zu finanzieren.

Doch, wie ich gerne sage, ist "die Konkurrenz auch nicht besser". Unser Gegner ist keineswegs allmächtig und unschlagbar, wie viele Leute zu denken gewohnt sind. Er macht auch schwerwiegende, vielleicht sogar alles entscheidende Fehler.

Die westlichen Strategen haben aus unverständlichen Gründen mindestens einen offensichtlichen Fehler gemacht. Es geht um den noch nie dagewesenen Sanktionskrieg, den sie Russland erklärt haben. Seit dem Entstehen der Russischen Föderation um die Jahreswende 1991/1992 floss der enorme Reichtum, den die UdSSR angehäuft hatte, Jahr für Jahr in den Westen und stärkte das westliche Finanzsystem.

Die "geschätzten westlichen Partner" erhielten natürliche Ressourcen von unschätzbarem Wert im Austausch für Billigjeans, Kaugummi und Big Macs, und selbst die russischen Anteile an den Gewinnen aus diesen Geschäften wurden nahezu restlos ins Ausland verschoben, wo "russische" Oligarchen die protzigsten Villen und Jachten kauften. Dieses System funktionierte dank der phänomenalen Dummheit und Gier der russischen Eliten drei Jahrzehnte lang so zuverlässig und ausfallsicher wie eine Kalaschnikow oder wie eine Schweizer Uhr. 

Wären die westlichen Länder nach Beginn des Ukraine-Krieges ein wenig flexibler gewesen, hätten sie gute Chancen gehabt, die auf diese Weise von ihnen kontrollierte russische Wirtschaft in den Abgrund zu stürzen. Hätten die "geschätzten westlichen Partner" Russland nur von ihren Technologien und ihrer Hightech-Ausrüstung abgeschnitten, ohne den primitiveren Warenaustausch zu behindern; hätten sie Russland den Zugang zum westlichen Kapital abgeschnitten, aber das russische Oligarchenkapital, das sich in Offshore-Oasen sonnte, nicht aufgeschreckt, hätte Russland wirtschaftlich keine Überlebenschance. Der Westen hätte dann nicht nur weiterhin aus Russland dessen Blut und Kraft gesogen, es hätte die russischen Milliardäre und Beamten in der Phase der Kriegspanik auch noch dazu gebracht, das letzte in Russland verbliebene Kapital aus dem Land abzuziehen. 

Stattdessen erlebten wir eine ganze Parade von McDonald's- und Gucci-Schließungen, was eine Demonstration beispielloser Dummheit war. Die westlichen Konzerne machten dem russischen Kapital damit eigenhändig lukrative Marktnischen im eigenen Land frei, die dieses nur allzu gern füllte.

Das gilt auch für all diese Öl- und Gasembargos. Damit haben sich die "geschätzten westlichen Partner" selbst ausgepeitscht, wie die Witwe eines Unteroffiziers aus Gogols Komödie "Der Revisor". Schließlich überstiegen die Verluste aus diesen Selbstbeschränkungen nicht nur die Kosten für die Lebenserhaltung des ukrainischen "Speckreiches" (so nennt Montjan das Kiewer Maidan-Regime – d.Red.) um ein Vielfaches, sondern ermöglichten es Russland auch, einen erheblichen Teil seiner Deviseneinnahmen, in Form von Dividenden, Zinsen und Kapitalabflüssen, im Inland zu behalten.

Und obwohl die rastlos-infantilen, "wunderbaren Menschen", die die russischen Eliten nach wie vor dominieren, versuchen, mit arabischen, türkischen und chinesischen Offshore-Firmen dieselben Geschäftsmodelle zu betreiben, die sie gewohnt sind, ist es unrealistisch, das Russland schädigende Kompradoren-Modell im bisherigen Umfang zu betreiben. Und sei es nur, weil kein russischer Milliardär oder korrupter Beamter den Lebensabend in China, der Türkei oder den Emiraten verbringen will. In letzteren ist es die Hitze, die einen Kompradoren-Alterssitz unattraktiv macht.

Wahrscheinlich hat der Westen mit Unruhen und Maidans in Russland infolge seiner radikal in den Lebensstil der Mittelschichten einschneidenden Sanktionen gerechnet. Damit, dass ein entscheidender Teil der Elite wegen der "unzumutbaren Entbehrungen" gegen Putin putschen würde. Er hat sich verkalkuliert. Nichts dergleichen ist geschehen.

Offensichtlich haben die Politiker in Washington, Brüssel, London und Berlin die Märchenerzählungen eines Alexei Nawalny, der ihnen den Sturz Putins sofort nach seinem Rückflug aus der Charité versprochen hatte, einen Tick zu ernst genommen. Diese Fehlkalkulation hat die eigenen Fehler Russlands ausgeglichen und seine Chancen auf einen Sieg entscheidend erhöht. Jetzt geht es für Russland darum, daraus mehr zu machen und die Aussichten des Gegners weiter zu verringern. Nun, das Verschwinden des Speckreiches, der Rückzug von EU und NATO auf die ukrainische Westgrenze wäre der Anfang vom Ende der unipolaren Hegemonie des kollektiven Westens. Dann hätte die Menschheit auch wieder eine Chance auf eine menschliche Zukunft. Darum, und nicht nur um ein paar Territorien, geht es in diesem Krieg.

Nein, werter Leser, alles ist viel ernster, als es uns bewusst ist, und es steht viel mehr auf dem Spiel. Jetzt liegt es an uns, horizontale Verbindungen über alle Grenzen hinweg zu schaffen und uns jeder nach unseren Möglichkeiten in unseren gemeinsamen großen Krieg für Freiheit und Menschsein einzubringen. Dies, das individuelle Potenzial eines jeden von uns, ist unsere Geheimwaffe gegen die globalistischen westlichen Kannibalen. 

Übersetzt aus dem Russischen.

Tatjana Montjan ist eine prominente ukrainische Rechtsanwältin und Strafverteidigerin, Publizistin und Bloggerin mit Millionenpublikum. 2004 noch auf der Seite des ersten Maidans, bezeichnete sie den Euro-Maidan im Herbst 2013 als Zerstörung der ukrainischen Staatlichkeit und stellte sich entschieden gegen diesen. Vor Beginn der russischen militärischen Intervention musste sie Kiew verlassen, nachdem sie vor der UNO über die Zustände in der Ukraine gesprochen hatte. Derzeit lebt sie im Donbass, engagiert sich für humanitäre Hilfe und führt tägliche Videoblogs. Man kann ihr auf ihrem Telegram-Kanal folgen. Ihr Kanal auf Youtube wurde im Frühjahr 2022 durch das US-Unternehmen gelöscht. 

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