Meinung

Der 75. Jahrestag des Verfassungskonvents: Wenn Festakte zu Wahlwerbung verkommen

Viel Vertrauen in die Demokratie scheinen die Repräsentanten des Staates aktuell nicht zu haben, wenn sie mittlerweile gefühlt jeden Anlass nutzen, um vor angeblichen Verfassungsfeinden zu warnen.
Steinmeier© Peter Kneffel/dpa

Von Björn Kawecki

Auf der Herreninsel im Chiemsee wurde am Donnerstag der Festakt zum 75. Jahrestag des Verfassungskonvents Herrenchiemsee 1948 begangen. Wer alles geladen war und aus welchem Grund, kann man – abgesehen von der Rednerliste – lediglich anhand der Pressefotos erahnen. Die Süddeutsche Zeitung schrieb vermutlich recht treffend von "politischer Prominenz".

Der Spiegelsaal des Neuen Schlosses war auf jeden Fall voll und dem Anschein nach feierte man die erfolgreiche deutsche Demokratiegeschichte, die mit dem Grundgesetz, deren Entwurf auf der Herreninsel erstellt wurde, einen zweiten Anlauf nahm.

Keine mildernden Umstände für mündige Bürger

Viel Vertrauen in die Demokratie scheint man aktuell jedoch nicht zu haben. So setzte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) zwar zunächst in dem ihm eigenen Tonfall des Predigers zur Grundgesetz-Exegese an, lobte die verbrieften Rechte auf Würde, Freiheit und Demokratie.

Doch nach den festlichen Lippenbekenntnissen wird der Ton bereits rauer. Von Verfassungs- und Freiheitsfeinden ist auf einmal die Rede. Die Bürger seien aufgefordert, im Alltag "robust" und "wehrhaft" zu sein. Gegen "Angriffe auf Freiheit und Demokratie" sollen sie "Willen zum Widerspruch" beweisen, Schweigen im Angesicht der "auftrumpfenden Lüge" ermutige die Feinde der Freiheit.

"Kein mündiger Wähler kann sich auf mildernde Umstände herausreden, wenn er sehenden Auges politische Kräfte stärkt, die zur Verrohung unserer Gesellschaft und zur Aushöhlung der freiheitlichen Demokratie beitragen."

Ist das noch eine verdeckte Wahlempfehlung für die anstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen oder eine gar nicht so verdeckte Warnung vor Strafverfolgung?

Bayern hat die Wahl –  am 8. Oktober

Auch die Präsidentin des bayerischen Landtags, Ilse Aigner (CSU), die wie Steinmeier eigentlich als Repräsentantin des Staates auftrat, war nicht in der Lage, das Parteibuch in der Tasche zu lassen.

Auf die obligatorischen Formeln anlässlich des Festakts folgten Warnungen vor gezielten "Sticheleien" gegen die "demokratische Kultur" von "Kräften, deren Arme bis in die Parlamente reichen" würden. Ganze Personenkreise würden vermehrt durch Vertreter "einer Partei" in ihrer Menschenwürde verletzt, raunte Aigner weiter, um dann unverhohlen zur Wahlwerbung überzugehen.

"Hier an der Wiege der zweiten deutschen Demokratie sage ich: Eine dritte deutsche Demokratie braucht es nicht! … Wir in Deutschland haben die Wahl – und wir in Bayern sogar schon am 8. Oktober."

Verblüffend. Die Angst vor dem Machtverlust scheint in der Politprominenz größer zu sein, als man glauben konnte. Doch wer vorsorglich einer "dritten" deutschen Demokratie die Absage erteilt, hätte vermutlich bereits auf die zweite gut und gerne verzichten können.

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